Meine sehr geehrten Patienten !
Damals … vor 20 Jahren … etwa.
Es war einmal….
Das Jahr 2000, klingt ja so, als sei da schon alles möglich gewesen.
Diejenigen von Ihnen, die schon seit dem oder länger mit ihrer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, ihrem M. Crohn oder ihrer Colitis ulcerosa unterwegs sind, werden sich auch erinnern. Und vielleicht sind das eben auch nicht die besten Erinnerungen, was die Erkrankung und die Therapie angeht…
Ich war damals noch irgendwo im klinischen Teil des Studiums und in einer Chirurgie-Famulatur (ein Arztpraktikum in den Semesterferien) an der Uniklinik in Lübeck. Und tatsächlich habe ich damals zum ersten Mal Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, einem M. Crohn oder einer Colitis ulcerosa gesehen. Damit meine ich “bewußt als Patienten mit diesen speziellen Erkrankungen wahrgenommen”. Seit dem habe ich einfach eine extrem viel bessere Vorstellung von diesen Erkrankungen.
Merken Sie`s ?
Das fand in der Chirurgie statt vor ca 20 Jahren.
Nicht in einer Gastroenterologischen Ambulanz oder Sprechstunde, wo Patienten therapiert wurden.
Worauf ich hinaus will ist, dass damals ein schwerer Schub einer Colitis ulcerosa oder eines M. Crohn eben ganz schnell bei den Chirurgen landete. Entweder das Cortison hat`s gebracht, vielleicht haben Mesalazin oder Azathiorpin unterstützt für die Remission, aber wenn all das nicht gefruchtet hat, “war`s das” mit dem Colon bei der Colitis ulcerosa und beim M. Crohn wurde auch viel mehr operiert.
Und um jetzt den Bogen zu den Biologika oder Antikörper-Therapien zu schlagen:
Ein paar Jahre später (Es war einmal…die Geschichte spielt jetzt an der Uniklinik Tübingen, 1. Berufsjahr, auf der gastroenterologischen Tagesklinik) kamen dann die ersten Patienten zur Infliximab-Infusion. Vielleicht 2 bis maximal (!) 4 Patienten innerhalb von 1 Monat. Das war selten (ich erinnere mich, dass ich immer wieder nachlesen mußte, was es beim Infliximab zu beachten gab, weil die Abstände zwischen den einzelnen Patienten manchmal so groß waren) ! Und das war eine Uniklinik, mit einem sehr für CED-Patienten engagierten Oberarzt und mit CED Sprechstunde.
(nur zum Vergleich: heute hat jeder niedergelassene Gastroenterologe Patienten mit einer CED, einem M. Crohn oder einer Colitis ulcerosa in seiner Sprechstunde, die unter Antikörpertherapie stehen).
Also, es hat sich viel viel getan bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und deren Therapie. Die Einführung von den Antikörpern oder Biologika war einfach ein entscheidender Schritt.
Und auf der Basis jetzt also der Blick auf die – teilweise gar nicht mehr ganz so neuen – Therapien der Antikörper / Biologika / Biosimilars.
Was denn jetzt eigentlich ?
Ich schreibe und sage immer Antikörpertherapien. Antikörper und Biologika sind das gleiche. Und auch wenn Sie einmal den Begriff Biosimilar lesen – ist auch genau das gleiche, sind die Generika. Gibt’s -Stand heute – ausschließlich für Infliximab und Adalimumab. Aber man muß kein Hellseher sein um zu wissen, dass sich das ändern wird.
Vor ein paar Jahren hätte ich an dieser Stelle noch versichert: “Die (Biosimilars) wirken genauso gut, ganz bestimmt !!!” Braucht man bzw. brauche ich heute nicht mehr. Die meisten von Ihnen erhalten genau diese Biosimilars (Generika der Biologika) und es läuft sehr gut.
Also diese Biologika / Antikörper / Biosimilars greifen sehr speziell in bestimmte Abläufe im Körper ein, um Entzündung zu hemmen.
Darum geht es immer wieder, vielleicht schon langweilig (schreibe das ja gefühlt in jedem Artikel). Bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, bei einem M. Crohn oder einer Colitis ulcerosa kommt es – vorwiegend im Darm (aber auch nicht nur – s. Artikel* über Extraintestinale Manifestationen) – zu einer “überschießenden” Immunreaktion, Abwehrreaktion, nichts anderes als Entzündung. Und das Problem, aus dem die Erkrankung im Grunde resultiert, ist, dass der Körper nicht gegenregulieren kann wie er das normalerweise im Falle von Entzündungen tut. Und deshalb läuft und läuft die Entzündung einfach immer weiter.
Zu den TNF-alpha-Antikörpern, die für die Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen M. Crohn und Colitis ulcerosa verwendet werden, gehören Infliximab, Adalimumab und Golimumab. TNF-alpha (lange Version: TumorNekroseFaktor alpha, kurze Version: TNF-a. Nicht merken, nur mal gelesen haben) ist ein Protein, das als “Regulationsmolekül” oder “Signal- oder Informationsübermittlungsmolekül” wirkt. Es übermittelt “Signale” und “Informationen”, die für sehr viele Abläufe bei Abwehr- und somit bei Entzündungsreaktionen entscheidend wichtig sind.
Ohne diese Signale oder Informationen, die eben dieser Tumornekrosefaktor alpha vermittelt, findet keine Entzündung statt. Oder nur in ganz ganz abgeschwächter Form.
Und deswegen wirken diese Medikamente aus der Gruppe der TNF alpha Antikörper auch so gut – es findet dann einfach (fast) keine Entzündung mehr statt.
Die Entzündungszellen wissen nicht so recht, wo sie hinsollen, können keine Stoffe freisetzen, mit der sie die Entzündung am Laufen halten, können sich keine Verstärkung durch andere Entzündungszellen organisieren etc..
(Dass also auch das Thema Entzündung unter der Überschrift “INFORMATION MATTERS“ abgehakt werden könnte, hier nur am Rande: keine Information, keine Kommunikation – keine Entzündung.)
Bei den anderen Antikörpern / Biologika ist es ähnlich, auch die “funken dazwischen”, wenn es um die Vorgänge bei Entzündung geht.
Das Vedolizumab (gehört zur Gruppe der “Integrin-Antikörper,” analog zu den TNF alpha Antikörper) wirkt an dem Punkt, an dem Entzündungszellen aus dem Blutkreislauf in das Gewebe übertreten. Im Falle von den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen M. Crohn und Colitis uclerosa ist das meist in die Darmschleimhaut.
Entzündungszellen (das sind die weißen Blutkörperchen, die Leukozyten sind immer ein paar im Blut unterwegs. Im Falle einer Entzündung sind es zum einen mehr Entzündungszellen, die unterwegs sind, und zum anderen werden die durch Botenstoffe und Signale an den Ort der Entzündung “gelotst”. Und dann treten sie aus der Blutbahn in das Gewebe über, wo grade die Entzündung stattfindet. Und um eben nicht an der “richtigen” Stelle “vorbeizusausen”, docken sie an die Zellen der Gefäßwände an.
Will da jetzt nicht zu weit ausholen, aber das ist – wie alles im Körper, ohne Ausnahme – ein so “durchdachter”, präziser Vorgang, dass es mich während ich das hier schreibe, echt zum Strahlen bringt. Kein Scherz. Und ich bin nicht ignorant, ich weiß, dass jeder, der das hier ließt sich denkt: “Danke auch für`s Gespräch, was ist denn bitte toll an Entzündung ?! Haben Sie mal eine CED Frau Weyrauch, anstatt nur darüber zu schreiben… ” Ist schon klar.
Alles was ich sagen möchte ist: der menschliche Körper ist ein Wunder. Nicht weniger. Er ist immer schlau, es ist alles exzellent eingerichtet. Und wenn eine Sache nicht funktioniert, funktioniert der Rest trotzdem weiter. Und vielleicht für Sie, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen oder etwas zu verharmlosen: Ja, Ihr Immunsystem macht Ihnen viel Kummer mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Aber gleichzeitig laufen sehr viele andere Dinge in Ihrem Körper weiter genau so wie sie sollen. Und das ist phantastisch ! Mit oder ohne chronische Erkrankung darf man sich das jeden Tag einmal klar machen.
Wo war ich stehen geblieben ?
Ach ja, Vedolizumab als Integrin-Antikörper und die Entzündungszellen die aus der Blutbahn in das Gewebe wandern und dafür an die Gefäßwände andocken, um “die Seite zu wechseln”. Integrine sind bestimmte Moleküle, die wirklich wie kleine Anker den Entzündungszellen dabei helfen, die Blutbahn zu verlassen und in das Gewebe zu gelangen. Vedolizumab blockiert als Anti-Integrin diese Ankermoleküle. Das führt dazu , dass die Entzündungszellen nicht mehr an die Zellen der Gefäßwand “andocken” können und dementsprechend nicht dorthin gelangen können, wo die Entzündung stattfinden soll. Und wo keine Entzündungszellen, da keine Entzündung (oder wenigstens mal viel weniger).
Das Ustekinumab funktioniert, indem es 2 wichtige Proteine , (sogenannte Interleukine, also spricht man von “Interleukin-Antikörper“) blockiert. Diese Interleukine sind auch im Falle einer Entzündung an der Informations- und Signalübermittlung im Körper beteiligt und beeinflussen und steuern so Entzündungsvorgänge. Im großen und ganzen wie bei den oben beschriebenen TNF alpha Antikörpern. Die blockierten Proteine sind aber “spezieller” auf eine Art. Kleiner könnte man vielleicht auch sagen.
Damit meine ich, dass TNF alpha für ganz vieles, wenn nicht alles, was im Körper mit Entzündung zusammenhängt wichtig ist und die Integrine (die vom Vedolizumab blockiert werden) oder Interleukine (die vom Ustekinumab blockiert werden) sind auch wichtig aber eher für einzelne Schritte. So kann man das gut erklären glaube ich.
Ein Biologikum hätte ich fast vergessen. Tofacitinib. Das blockiert und hemmt auch einen Vermittler (ein sogenanntes Zytokin) von Entzündung. Bei Tofacitinib spricht man auch weniger von Antikörper als von JAK-Inhibitor. Das Prinzip ist in etwa das gleiche
Das war jetzt eine recht grobe Schilderung der Wirkmechanismen. Aber schon im Wesentlichen so, dass Sie jetzt eine hoffentlcih etwas konkretere Vorstellung haben, was denn da “abgeht”, wenn Sie die Medikamente , die Antikörper, Biologika oder eben Biosimilars bekommen. Geht ja eher darum, dass Sie eine Vorstellung bekommen, als dass ich Ihnen hier die Signaltransduktionswege en detail aufführe.
Die meisten von Ihnen werden wahrscheinlich wissen, dass sämtliche Antikörper-Therapien ja als Infusion oder Injektion verabreicht werden Außer das Tofacitinib, aber auch das gelangt über den Darm dann in den ganzen Körper. Und: ja, damit “sausen” diese Präparate alle einmal durch den Körper und wirken nicht nur im Darm (wie übrigens fast alle anderen Medikamente auch nicht nur an dem Ort wirken, wo wir ihre Wirkung möchten). So entstehen Nebenwirkungen.
Dazu im nächsten Artikel.
Bis dahin alles Gute für Sie !
Beste Grüße,
Ihre
Dr. med. Susanne Weyrauch
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