Extraintestinale Manifestation Arthritis

Meine sehr geehrten Patienten !

Die häufigste “Extraintestinale Manifestation” bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist die Arthritis oder Spondylarthropathie/Spondylarthritis.

(…schon wieder so krasse Wörter, ich weiß. Spondylarthropathie oder Spondylarthritis bedeuten im Grunde Arthritis. Wie immer geht es mir nur darum, dass Sie das Wort oder die Wörter mal gehört bzw. gelesen haben und sie “wiedererkennen”.)

Arthritis bedeutet Gelenkentzündung. 

Und wenn ich meine Patienten nach Gelenk- oder Rückenschmerzen frage, werden die meistens mit einem: “Ja, aber…” geschildert:

“Ja, aber das kommt von: der Arbeit, dem Kind heben, den ganzen Tag am PC, den ganzen Tag im Büro (ganz schlechter Stuhl, hat die Firma wieder gespart), viel Zeit im Auto, in letzter Zeit keinen Sport mehr gemacht, in letzter Zeit zu viel Sport gemacht, viel im Garten gewesen, vom Schneeschippen, Wohnung renoviert, beim Umzug geholfen, Keller aufgeräumt, Dachboden aufgeräumt, gestrichen, tapeziert…”.

Das pralle Leben eben.

Sind ja auch alles Dinge, die im Falle Rücken- und oder Gelenkbeschwerden machen.

Aber natürlich frage ich das bei meinen Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung nicht, weil ich glaube, dass es mit all den aufgeführten Gründen zusammenhängt.

Wenn man ein bisschen nachfragt, dauern die Beschwerden auch meist doch länger als 2 Wochen oder auch länger als 3 Monate Und das ist dann auch so der Zeitraum, nach dem wir uns die Beschwerden genauer anschauen sollten. Mitunter kommt auch raus, dass die Beschwerden durchaus zugenommen haben und zwar in den letzten 2 oder 3 Jahren.

Und wenn ich den Patienten dann erzähle, dass die Arthritis in ihrem konkreten Fall auch bzw. wahrscheinlich mit ihrer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, also ihrem M. Crohn oder ihrer Colitis ulcerosa in Zusammenhang stehen kann, ist das Erstaunen groß bis riesig.

Arthrits (Spondylarthritis, Spondylarthropathie) als extraintestinale Manifestation einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung

Welche Gelenke können von der Arthrits betroffen sein?

Welche Gelenke können von der Arthrits (Spondylarthritis, Spondylarthropathie) als extraintestinale Manifestation einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung betroffen sein?

Prinzipiell kann jedes Gelenk betroffen sein. Sehr häufig ist es das ISG (Ileosakralgelenk) im Bereich des unteren Rückens. Auf gut deutsch oberhalb der Pobacken, nicht genau in der Mitte vom Rücken sondern jeweils so ein bißchen rechts und links davon. Und ich schrieb Ihnen oben, die Liste von Erklärungen, die angeführt werden, warum es da dann wehtut, ist lang, um nicht zu sagen endlos.

Aber wenn Patienten mit einer CED, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung  Schmerzen in der Region oder auch in jedem anderen Gelenk haben, die länger als 3 Monate bestehen, sollte man unbedingt an eine extraintestinale Manifestation denken.

Und im Falle die Diagnostik machen, die für die Einschätzung weiterhilft. Ein MRT (Magnetresonanztomographie, Kernspin) der Ileosacralgelenke zum Beispiel.

Außer dem Ileosacralgelenk kann aber auch “einfach” die Wirbelsäule betroffen sein, in jedem Abschnitt. Wirklich jede Art Rückenschmerz ist möglich und kann auf eine Arthritis im Sinne einer Mitbeteiligung der Wirbelsäule als extraintestinale Manifestation einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung  hinweisen. Oder eben die “peripheren” Gelenke, dabei meint “peripher” eben nicht nahe an der Wirbelsäule, sondern weiter weg. Also zum Beispiel Ellenbogen, Handgelenke, Sprunggelenke.

Viele Patienten klagen auch über morgendliche Gelenksteifigkeit der Finger. Die Finger sind dann wirklich  morgens steif und auch mehr oder weniger schmerzhaft.

Es können im Rahmen der Arthritis wirklich alle Gelenke betroffen sein: Fußknöchel, Knie , Hüften, Schultern Ellenbogen.

Und wie oben schon erwähnt: diese Gelenkbeschwerden – wo und wie auch immer – können parallel zur Darmsymptomatik auftreten oder auch unabhängig davon.

Ich kenne einige Patienten, die erzählen in der Sprechstunde im Wesentlichen über Ihre Gelenkbeschwerden, über Rückenschmerzen und steife Finger. Der Darm ist schon lange kein Problem mehr, jedenfalls stehen die Beschwerden nicht im Vordergrund.

So einfach ist es mit der Arthritis oder den Gelenkbeschwerden doch nicht.

Denn tatsächlich können auch einige Medikamente genau solche Gelenkschmerzen verursachen, allen voran die TNF-alpha-Antikörper (Infliximab, Humira etc.)  bzw die entsprechenden “Biosimilars” (ist ein Begriff, oder ? Die Generika der Original TNF alpha Antikörper).

Und das auseinanderzuhalten, ist mitunter nicht so einfach.

Es gibt auch kaum eine Untersuchung, einen Laborwert oder irgendetwas, der einem das zweifelsfrei erhellen würde. Wichtig ist da wirklich die “Klinik”, also das gesamte Bild.

Wichtig zur Unterscheidung, ob es eine Arthritis als extraintestinale Manifestation einer chronische entzündlichen Darmerkrankung oder eben eine Nebenwirkung von TNF-alpha-Antikörpern ist, sind folgende Fragen :

Treten die Gelenkbeschwerden vielleicht tatsächlich erst auf, seit Sie eine bestimmte Therapie  erhalten ?

Oder bestehen sie schon länger und haben seit ein paar Wochen (seit dem Schub ?) zugenommen ?

Oder vielleicht spüren Sie sie jetzt stärker, weil  mit der Therapie die Beschwerden im Bauch, die sonst im Vordergrund standen, gebessert sind ?

Sind die Beschwerden in den ersten Tagen nach der Therapie stärker ausgeprägt und bessern sich im Intervall zur nächsten Medikamentengabe ?

 

Da können Sie wirklich ganz viel beitragen.

Das können Sie sowieso immer, aber in dem Falle nochmal speziell,  indem Sie sich und Ihren Körper beobachten und ein gutes Gespür für sich entwickeln.

Das ist entscheidend, denn am Ende haben Sie die Erkrankung und wissen wirklich am allerbesten, wie es Ihnen geht. Und können auch am besten einschätzen, ob Beschwerden mit einem Medikament in Zusammenhang stehen oder eben nicht.

Und ganz wichtig : sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, immer wieder, seien Sie im Austausch.

 

Generell: Wenn im Verlauf einer Therapie Nebenwirkungen auftreten, die sie wiederum zunehmend beeinträchtigen, dann ist die Therapie vielleicht auch nicht Ihre. Grade letzte Woche habe ich wegen stärkster Gelenkbeschwerden eine Therapie bei einem Patienten beendet und das Medikament gewechselt. Denn ich kann einem jungen Mann nicht alle paar Wochen eine Therapie geben, nach der er sich für 2-3 Tage kaum rühren kann. Dafür haben wir einfach zu viele Möglichkeiten.

Was können wir tun gegen die Gelenkschmerzen ?

Wie wird die extraintestinale Manifestation Arthritis therapiert ?

Zunächst hilft meistens eine symptomatische Therapie , beispielsweise mit einem Medikament (Wirkstoff Etoricoxib), das Schmerzen in den Gelenken nimmt und ein bißchen freundlicher zum Magen und Darm ist als die üblichen Gelenkschmerz-Medikamente (NSAR). Denn die (NSAR) sollten sie mit ihrer chronisch entzündlichen Darmerkrankung wirklich meiden.

Wenn das nicht ausreicht und die Beschwerden immer weiter zunehmen, dann darf auch das Therapiekonzept entsprechend angepaßt werden.

Und ich schrieb es schon: meine Schwelle, mit meinen rheumatologischen Kollegen zusammenzuarbeiten, ist immer sehr niedrig. Ich überweise tatsächlich jeden Patienten,  der über einen längeren Zeitraum  als 3  Monate Gelenkbeschwerden klagt.

 

Und was kann man noch machen ?

Was ich jetzt schreibe wird sicher kontroverse Reaktionen auslösen. Ich kann sagen, ich sehe Erfolge, wannimmer es konsequent umgesetzt wird. Das ist leider selten, aber darum geht es nicht, ich möchte Sie über Ihre Möglichkeiten informieren. 

 

Ernährung. Wir wissen grade aus der Rheumatologie wie sehr sich die Ernährung auf aktive Entzündungen des Bewegunsgapparates auswirken kann. Die Rheumatologen haben als erste gemerkt, wie sich beispielsweise ein hoher Anteil von Omega-3 Fettsäuren in der Ernährung auf die Entzündung der Gelenke auswirkt. Und dazu gibt es Studien rauf und runter.

Ernährung wird bei ausgeprägten Beschwerden nicht zur Beschwerdefreiheit führen. Aber dass Sie einen Unterschied und eine Symptomverbesserung merken, darauf würde ich wetten.

 

Und da fällt mir wieder auf, dass ich wirklich auch nochmal ausführlich über Ernährung schreiben wollte. Vielleicht gleich nächste Woche.

 

Ihnen für heute ersteinmal alles Gute !

 

Beste Grüße Dr. med. Susanne Weyrauch

 

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