M.Crohn und Colitis ulcerosa Extraintestinale Manifestation

Meine sehr geehrten Patienten,

In diesem Artikel geht es wieder um beide chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, also um die Colitis ulcerosa und den M. Crohn. Die Überschneidungen bei dem Thema, wo die Erkrankungen außerhalb des Verdauungskanals auftreten können, überwiegen einfach. Das was hier steht gilt also für beide Erkrankungen.

Wenn ich in den Gesprächen mit meinen Patienten – oft scheinbar aus heiterem Himmel – frage: “Haben Sie Gelenkbeschwerden ?”

Oder : “Sind Ihnen Hautveränderungen aufgefallen ?”

Oder auch: “Haben Sie Probleme mit den Augen ?”

Oder: “Sind bei Ihnen mal erhöhte Leberwerte aufgefallen ?”

… dann schauen mich die meisten Patienten mindestens verwundert an.

Und ich kann die Gedanken in den Köpfen förmlich sehen : … Häh ?! Wie jetzt ? Geht doch wohl um meinen Bauch, den Darm, wir reden doch hier über meinen M. Crohn / meine Colitis ulcerosa! – wie um alles in der Welt kommt die Frau jetzt auf Augen ?!

Die Organsysteme, auf die sich die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen außerhalb des Verdauungstraktes auch auswirken können, haben auf den ersten Blick mit dem Darm nicht viel zu tun. Auf den 2. und 3. auch nicht wirklich.

Die Leber und mit ihr die Gallenwege …ok, liegt wenigstens im Bauch. Durch die Leber fließt das Blut aus dem Darm erstmal durch, ist ja ein wichtiges Verdauungsorgan. Kann man sich vielleicht noch vorstellen.

Aber Gelenke, Haut oder Augen ? Leuchtet nicht so unmittelbar ein.

Was sind extraintestinale Manifestationen?

Erstmal wieder zu den Begriffen. Wie immer, damit Sie es einordnen können, wenn Sie davon  hören oder lesen: wir sprechen von “extraintestinalen Manifestationen” (EIM). Das bedeutet Aktivität oder eher Auftreten der Erkrankung außerhalb (-“extra”) des Verdauungstraktes (“-intestinal”).

Gelenke und Skelettsystem, Leber oder vielmehr: Gallenwege, denn die sind betroffen, Haut und  Augen. Das sind die Organsysteme, die durch die Colitis ulcerosa oder den M. Crohn noch beeinträchtigt werden können.

Die Trefferquote insgesamt ist gefühlt …35-45%. Also 35-45% der Patienten in meiner Sprechstunde bejahen die abgefragten Beschwerden oder Auffälligkeiten.

Gefühlt ?!, denken Sie jetzt. War hier bei I.M. INFORMATION MATTERS nicht der Ansatz: gute, sachliche  Informationen ?

Also konkret: laut Literatur haben bis zu 50 % der Patienten mit M. Crohn und Colitis ulcerosa eine extraintestinale Manifestation, also eine Begleiterkrankung außerhalb des Verdauungskanals. Wobei es bei der Häufigkeit der einzelnen Begleiterkrankungen ganz deutliche Unterschiede gibt. Die einen sind recht häufig, eben bis 50% und andere ziemlich selten – maximal 5 %. Das verteilt sich in etwa so, dass bis zu 50% der Patienten eine Gelenkbeteiligung also Arthritis haben, bis zu 30 % eine Hautbeteiligung und bei der Leber bzw. den Gallenwegen sind es maximal 7 %.

Und ja: es gibt auch einige Patienten, die haben mehr als eine EIM (extraintestinale Manifestation).

Warum breitet sich die Krankheit auf andere Organe aus, die nichts mit dem Darm zu tun haben?

Sie sehen schon, meist  sind es Gelenkbeschwerden und/ oder auch Rückenschmerzen. Über die werde ich im nächsten Artikel genauer schreiben. Und über die anderen schreibe ich im Verlauf auch noch.

Doch vorher noch zu der alles entscheidenden Frage – und ich wette Sie alle fragen sich das seit der 1. Zeile: wie um alles in der Welt kommt es, dass man eine Erkrankung im Darm hat und sich diese Erkrankung auf Organe ausweitet, die wirklich gar nichts mit dem Darm zu tun haben ?

Ich schreibe das nur grob, so spannend wie es ist, so komplex ist es auch. Aber ich möchte es Ihnen in jedem Fall schreiben, weil ich glaube, dass es zum Verständnis der Erkrankung mal wieder beiträgt. Und auch einmal mehr klar macht: sie merken den Darm, aber im Grunde merken sie dort eine Reaktion Ihres Immunsystems.

Man geht wirklich davon aus, dass die Immunzellen, also die Abwehrzellen, die Entzündungszellen, die eigentlich zu dem Ort der Entzündung im Darm “gerufen” wurden oder dafür vorgesehen waren, sich in andere Bereiche des Körpers “verirren” und dort dann zu Entzündungen führen. Denn Entzündungszellen machen Entzündung, sie können quasi nichts anderes.

Und man geht davon aus, dass winzigste “Fremdkörper” oder “nicht körpereigen Stoffe”, sogenannte Antigene aus dem Darm, zum Beispiel auch Darmbakterien, durch die “Barrierestörung” also die vermehrte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut vereinzelt in den Kreislauf gelangen und auf diesem Weg in anderen Organen zu Entzündungen führen.

Diese “Neigung”, Entzündungen auszubilden ist auch wieder genetisch beeinflusst. Man weiß auch, dass bestimmte Gene, die entscheidend das Immunsystem  beeinflussen mit bestimmten extraintestinalen Manifestationen einherzugehen scheinen. 

Welcher Zusammenhang besteht ?

Und deswegen ist bei den Begleiterkrankungen auch immer – genau wie beim M. Crohn oder bei der Colitis ulcerosa – Entzündung im Spiel. Entzündung, die nicht durch erkennbare äußere Faktoren verursacht wird, sondern durch eine Immunreaktion, bzw eine Überreaktion oder Fehlregulation der körpereigenen Abwehr im betroffenen Organ.

Und jetzt könnte man ja vermuten, dass die Aktivität der Begleiterkrankungen mit der Aktivität der Haupterkrankung, also der chronisch entzündlichen Darmerkrankung, des M. Crohn oder der Colitis ulcerosa zusammenhängt.

Also zum Beispiel: viel Entzündung im Darm mit vielen Beschwerden –  viel Entzündung in den Organen, in denen jeweils die Begleiterkrankung sitzt.

Und manchmal verhält es sich auch genau so.

Aber einige von diesen Erkrankungen laufen unabhängig von der Aktivität der Grunderkrankung im Darm. Diese Begleiterkrankungen können sich zeigen und Ihnen Beschwerden machen, noch bevor Sie Probleme mit dem Darm bekommen.

Jahre vorher.

Oder andersrum: selbst, wenn der Darm “ruhig” ist, die Colitis ulcerosa oder der M. Crohn in Remission oder sogar der betroffene Darmabschnitt buchstäblich gar nicht mehr vorhanden ist (das ist eine ganz spezielle Situation bei Colitis ulcerosa , wenn der Dickdarm entfernt wurde)  können die Begleiterkrankungen Beschwerden machen.

Jetzt habe ich erstmal ziemlich allgemein geschrieben. Das ist interessant und ich denke hilfreich. In den nächsten Artikeln wird es auch noch konkret um die einzelnen extraintestinalen Manifestationen (EIM) gehen.

Zum Beispiel gleich nächste Woche um die häufigste extraintestinale Manifestation: Gelenkschmerzen / Arthritis. 

Ich wünsche Ihnen alles Gute !

Beste Grüße,

Dr. med. Susanne Weyrauch

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