Sport bei CED

Meine sehr geehrten Patienten !

“Treiben Sie Sport ?”

Ist eine Frage, die bei mir in der Sprechstunde schon mal kommen kann.

Sport, Bewegung, körperliche Aktivität…. Das ist ja immer so eine Sache. Einigen ist es wichtig, anderen nicht so. Einigen liegt es, anderen nicht so. Und viele Kollegen kämen gar nicht wirklich darauf, Patienten danach zu fragen, geschweigedenn dazu zu  motivieren oder das sogar einzufordern. Sowas zu sagen wie: “Sollten Sie aber !” – wenn die Antwort auf die Frage : “treiben Sie Sport ?” – “Nein” ist.

Ich selber habe – obwohl ich weiß wie wichtig regelmäßige körperliche  Aktivität, Bewegung, Sport ist – manchmal  auch das Gefühl, ich trete den Patienten zu nahe.  Als würde ich mich da zu weit in ihr  Privatleben vorwagen. Das kann und soll sich ja bekanntlich jeder so gestalten und einrichten wie er oder sie es möchte. Der Denkfehler  an der Stelle wäre halt, dass Gesundheit ja im Grunde auch Privatsache ist. Aber die Patienten kommen ja zu mir, um zu hören, was ich Ihnen sagen und empfehlen kann. Und deswegen spreche ich in meiner Sprechstunde doch immer wieder über körperliche Aktivität, Bewegung, Sport.

Vielleicht wissen auch gar nicht alle Ärzte so genau: Sport bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, M. Crohn und Colitis ulcerosa – darf man das ? Soll man das ? Ist das gut ? Schlecht ? Macht`s das besser oder schlechter ?  … bzw kann es sich positiv oder negativ auswirken ?

Dabei kann man es wissen. Denn es wurde untersucht.

[…]

Ich bin ehrlich. Da wo jetzt die Punkte stehen, stand zuerst was anderes. Ich hätte  hier doch tatsächlich fast – ausführlicher als ich das jetzt hier ja irgendwie doch mache – mit den ganzen Einschränkungen und Relativierungen angefangen. Die es natürlich auch bei diesem Thema gibt.

Von: “Das Thema körperliche Aktivität oder Sport  bei CED ist schwer zu untersuchen…”,

über “…natürlich ist es nicht für alle gleich”,

bis zu “…natürlich haben Sie als Patient mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen andere Einschränkungen als viele andere Patienten.”

Und das stimmt auch alles. Und auch der Satz: “zum Thema Bewegung, körperliche Aktivität, Sport bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, M. Crohn und Colitis ulcerosa   gibt es unterschiedliche Untersuchungsergebnisse”  – ist korrekt.

Aber ich möchte Ihnen etwas schreiben, was Sie im besten Falle motiviert, selbst das zu tun, was nur Sie tun können. Und wie Sie die Weichen zu mehr Gesundheit bei Ihrer chronisch entzündlichen Darmerkrankung stellen können.

Dafür eignet sich Bewegung, körperliche Aktivität, Sport phantastisch !

Sport im Allgemeinen und im Speziellen...

Ganz Allgemein: körperliche Aktivität, Bewegung, Sport wirkt sich auf alle Menschen positiv aus. Das ist so, das weiß man, das hat man untersucht und wenn ich mit Menschen spreche (ich rede jetzt nicht nur von meiner Sprechtunde), merkt es eigentlich auch jeder, der Sport macht. 

Menschen die körperlich aktiv sind, die sich bewegen, die Sport treiben, haben seltener Infekte. Körperliche Aktivität und sportliche Betätigung ist inzwischen als eindeutig präventiv für viele Malignomerkrankungen, also Krebserkrankungen anerkannt. 

Und Menschen, die Sport treiben, sind einfach “besser `drauf”. Ich schreibe das so salopp, weil es viele Facetten hat, von der “guten Laune” über “Stresssresistenz”, bishin zu der Tatsache, dass sich das Körpergefühl verändert und damit die Haltung. Und damit die  … Ausstrahlung, ich kann es nicht anders nennen.  

Redewendungen wie “mens sana in corpore sano” oder der Slogan “sound mind, sound body” beziehen sich nicht nur auf allgemeine Gesundheit. Wie sie mal eben so kommt oder eben nicht. Da geht es konkret darum, sich aktiv um Körper und Geist zu kümmern. Etwas dafür zu tun.

Und das Allgemeine gilt für Sie als Patient mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung. Und ehrlichgesagt rede ich in meiner Sprechstunde immer gar nicht lange rum. Wenn die Patienten fragen ” …kann ich eigentlich Sport machen ?” oder “… muß ich beim Sport etwas beachten ?”…” Was kann ich nicht machen ?…”, ist die Antwort : “machen Sie ! – Denn wenn Sie körperlich aktiv sind und Sport machen, dann kennen Sie Ihren Körper. Seien Sie aufmerksam, seien Sie nicht übervorsichtig, hören Sie auf Ihren Körper, aber Bewegung, körperliche Akltivität, Sport sind gut für Sie”

Was Sie als Patient mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung, mit einem M. Crohn oder einer Colitis ulcerosa wissen sollten, was Ihnen bewußt sein sollte: körperliche Aktivität, Bewegung und Sport wirken sich direkt auf Entzündungsvorgänge im Körper aus. 

Und ich schrieb das hier schon häufiger: das Thema Entzündung ist das Thema der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Bei Menschen, die regelmäßig körperlich aktiv sind, sich bewegen, Sport treiben, sind weniger Botenstoffe für Entzündung im Blut unterwegs. Das ist jetzt hier ein Satz, aber machen Sie sich klar, was das für Sie bedeutet.

Und andersrum: wenn wir körperlich aktiv sind, uns bewegen, Sport treiben, werden von der Muskulatur Botenstoffe freigesetzt, die antientzündlich wirken, also gegen Entzündung. Dafür muß es allerdings zu einer Kontraktion der Muskelzellen kommen. Man muß die Muskulatur bewegen und beanspruchen.

(man könnte hier auch sagen: es muß ein bißchen wehtun. Mit einem 15 Minuten Schaufensterbummel mit Einkaufstaschen, bei dem Sie prinzipiell auch die Muskeln bewegen, ist es weniger getan). 

Das war mir übrigens  auch lange nicht klar, ich habe meinen Patienten lange ausschließlich mäßig intensives Ausdauertraining empfohlen. Aber man hat das untersucht, nicht nur Ausdauertraining, sondern auch wirklich Muskeltraining beeinflusst entzündliche Vorgänge im Körper positiv und kann sich positiv auf die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auswirken.

... Sport grade bei CED !

Jetzt habe ich Ihnen ein paar Hintergrundinformationen geschrieben und vielleicht denkt doch der oder die eine oder andere: “Ja, klar Frau Dr. Weyrauch, Entzündung beeinflussen, ist schon klar, aber das ist ja die Theorie.  Im wirklich wahren Leben bei meiner chronisch entzündlichen Darmerkrankung, bei meinem M . Crohn oder bei meiner Colitis ulcerosa … das ist dann doch was anderes.

Erstens: ist es nicht. 

Zweitens: auch das hat man untersucht: regelmäßige  Bewegung wirkt sich oder kann sich positiv konkret auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen auswirken

Zugegeben – da gibt es dann tatsächlich unterschiedliche Ergebnisse. Und das will ich Ihnen hier auch nicht verschweigen. Nur das berichten, was mir in den Kram paßt und wie man`s gern hätte ist nun wirklich nicht, was ich unter guten Informationen verstehe.

Und – klar: nur mit Sport können wir Ihren M. Crohn oder ihre Colitis ulcerosa nicht behandeln. Und Sie auch nicht aus dem Schub bringen, wenn Sie einen Schub haben.

Aber Ihre Gesamtsituation stabilisieren, eine Remission stabiler halten, sich einfach wieder besser fühlen – das können wir.

Falsch.

Das können Sie. Ausschließlich Sie. 

Denn ganz eindeutig wirkt es sich auf das Wohlbefinden, auf die Lebensqualität aus. Eben auf das Körpergefühl, die Zufriedenheit, all diese wichtigen Dinge.

Worauf wirkt sich körperliche Bewegung, wirkt sich Sport grade bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bei M. Crohn und Colitis ulcerosa noch aus ?

Fatigue. Einige von Ihnen werden es wissen  und erfahren: bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen spüren die Patienten mitunter eine Antriebslosigkeit, die das Leben weiß Gott nicht leichter macht. Woher diese Fatigue- Symptmatik kommt , wissen wir nicht so genau. Aber es gibt Hinweise, dass das Fatigue Syndrom teilweise durch Zytokine vermittelt wird. Zytokine sind nichts anderes als Botenstoffe für Entzündung. Und eine  Fatigue-Symptomatik kann sich durch regelmäßige körperliche Bewegung  deutlich bessern. Einen Versuch wäre es wert.

Und: Osteoporose. Ich schrieb Ihnen schon im Artikel zu Vitamin D etwas dazu. Da sind Sie als Patient mit M. Crohn, mit Colitis uclerosa gefährdet. Und dagegen hilft auch : Bewegung, körperliche Aktivtät, Sport.

Und für diejenigen ( ich glaube es sind nicht viele), die vielleicht immernoch denken: ja, aber … !

Ich schrieb auch das schon einmal im ersten Artikel über Ernährung): Eine der häufigsten Feststellungen zu den chronische entzündlichen Darmerkrankungen ,M. Crohn und Colitis ulcerosa ist:

“Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen M. Crohn und Colitis uclerosa nehmen in Ländern mit westlichem Lebensstil zu.”

Westlicher Lebensstil ist inaktiver Lebensstil. Inaktivität ist Zeichen des sogenannten “westlichen Lebensstils”.

... Wie denn jetzt ?!

Schön und gut denken Sie. Aber wie denn jetzt ?

Was genau ist denn gemeint mit: Bewegung, körperlicher Aktivität, Sport. Wieviel soll ich machen ? Was soll ich machen ?

Ich sage meinen Patienten, die sich noch gar nicht bewegen, immer : Starten Sie mit 30 Minuten pro Tag.  Und zwar ganz einfach: jeden Tag 30 Minuten zügig spazieren gehen. Bewußt und geplant, am besten zu einem festen Zeitpunkt. Zum Beispiel gleich morgens nach dem Aufstehen oder direkt nach dem nach Hause Kommen.

Nicht irgendwann zwischendurch denken: ich geh mal los,  mal schauen wie weit ich komme… . Sondern sich die Zeit für Aktivität, Bewegung, Sport fest einrichten und reservieren.

Wenn Sie jeden Tag 30 Minuten tief atmen und die Herzfrequenz  konstant hoch geht, ohne dass Sie völlig außer Atem kommen, dann ist das ein guter Anfang für die “Bewegungseinsteiger”.

Wie oft ? Jeden Tag. Mindestens 4 x die Woche.

Am besten: jeden Tag

30 Minuten jeden Tag. Wenn Sie überlegen, was sie sonst in 30 Minuten machen. Also z.B. wenn Sie nachmittags oder abends nach Hause kommen, 30 Minuten … räumt man n` bissl´ in der Wohnung ´rum, daddelt am Handy, macht den Fernseher an, 2 x Kühlschrank auf und zu – 30 Minuten sind um.

Oder wenn Sie nachmittags oder abends Termine haben, dann eben morgens. Eine halbe Stunde früher aufstehen wird nicht dazu führen, dass Sie den Tag vor Müdigkeit nicht überstehen. Im Gegenteil – wenn Sie die Zeit für sich und Ihre Bewegung, Ihre körperliche Aktivität nutzen.

Und wenn Sie mal angefangen haben, sich zu bewegen, werden sie merken, was es mit Ihnen macht und werden das ausbauen.

Das mit den 30 Minuten ist meine Variante. in der Literatur oder den wissenschaftlichen Artikeln zu dem Thema steht: 20-60 minütiges Training 5 x / Woche. Also unter 20 Minuten gar nicht erst anfangen und unter 5 x / Woche auch nicht anfangen.

Muskeltraining sollte man mindestens 2 x pro Woche machen, um den Effekt zu bekommen, den ich Ihnen oben beschrieben habe.

Dafür gibt es Apps für Übungen mit dem eigenen  Körpergewicht, ein paar nicht ganz schwere Hanteln kostet nicht die Welt. Mit einem Terraband lassen sich tolle Übungen machen. 

Also wer sich dafür entscheidet, kann sofort loslegen. 

Sport als Teil der Therapie

Für die “Nicht – Bewegunsganfänger ” : wenn Sie Sport machen, wissen Sie einiges über sich. Sie wissen wie sich leichte Belastung anfühlt, wie sich mäßige Belastung anfühlt und wie sich stärkere Belastung anfühlt. Alles geht. Wenn Sie Lust haben auf einen Marathon zu trainieren – tun Sie es. Suchen Sie sich ein gutes Trainingsprogramm, optimalerweise jemanden der Sie trainiert, seien Sie aufmerksam, aber es spricht erstmal nichts dagegen. Tatsächlich hat man untersucht, ob Sporttarten wie Halbmarathon, Marathon oder Triathlon sich negativ auf den Krankheistverlauf auswirken. Nein, tun Sie nicht.  Natürlich muß man da “hin-trainieren”.

Insgesamt ist aber mäßig intensives Training zu empfehlen.

Für alle gilt: es gibt kein Medikament, das eine Kontraindikation für Sport darstellt. In keiner Packungsbeilage steht: Bewegen Sie sich nicht zu viel, es könnte Ihnen schaden.

Ganz ehrlich ? Auch grade nachdem ich Ihnen das hier geschrieben habe: wir alle, Sie als Patient und ich als Ärztin und meine Kollegen, wir sollten aufhören, Bewegung, körperliche Aktivität, Sport als etwas optionales zu sehen, als ein Hobby, das man eben hat oder nicht. Im Grunde ist es nicht weniger als Teil der Therapie. Da dürfen wir wirklich unser Denken verändern. 

Wenn wir über die Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nachdenken und darüber sprechen, mit Ihnen als Patient sprechen, dann sollten wir nicht nur über Antikörper-Therapien reden.Darüber, ob wir sie s.c oder i.v. geben oder wie der Medikamentenspiegel ist. Wir dürfen unseren Patienten sagen, was sich noch positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt ! Und wir sollten darauf bestehen, dass die Patienten Ihren Beitrag leisten.

Alles in diesem Sinne einmal mehr: alles Gute für Sie. Kommen Sie in die Bewegung oder bleiben Sie aktiv !

Beste Grüße

Dr. med. Susanne Weyrauch

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